Pit hatte den Winter entgegen seinem Vorhaben nicht an Bord verbracht.
Anfang November hatte ihn über Umwege ein Steuerbescheid erreicht, der ihn auf einen Schlag aller Sorgen entledigte. Gerd hatte ihn von seiner Exfreundin, die das amtliche Schreiben im Briefkasten ihrer früheren gemeinsamen Wohnung fand. Weil sie diese untervermietet hatte, um mehr in ihrer alten Heimat zu leben, hatte es vier Wochen gedauert, bis sie es bekam. Und nochmal drei bevor sie sich aufraffen konnte, es Gerd zu geben.
Gerd rief Pit am 3. November an. "Soll ich deine Amtspost für dich aufmachen?", fragte sein Verleger und Freund am Telefon. Pit überlegte kurz und antwortete: "Ja, bitte — und keine Scherze." Gerd war in dieser Beziehung alles zuzutrauen.
Es blieb still am anderen Ende, nachdem Pit das Geraschel einer Schere hörte, die an der Falz eines Umschlages entlang lief. Pit wollte grad was sagen, fragen "Was nu?", als Gerd laut auflachte. "Zehntausend", sagte er, und wiederholte nochmal: "Zehntausen Euro kriegste wieder."
Pit setzte sich auf die Treppe vom Niedergang und jauchzte. Der Winter war gerettet.
Zwei Tage vorher hatte ihm der alte Südstaaten-Aficionado, der sich um seinen Motor kümmerte, erklärt, dass sein Motor mal dringend in die Werft müsste, herumschrauben helfe da nicht mehr. Hauke, der Hafenmeister, hatte ihm freundlicherweise einen Winterliegeplatz zugewiesen, bevor er in die Winterferien ging. Da lag er jetzt auch als Gerd anrief.
Der klamme Novembertag wurde schlagartig hell.
Pit vereinbarte mit der Werft einen Winterkomplettpreis inklusive Liegeplatz an Land und kaufte sich ein Flugticket nach Florida.
Bis März waren die 10.000 Euro verjuxt. Der Winter überstanden.
Es war der 2. April, als er seine Ohlson aus der Schlei nach Kiel motorte. Gefühlt war er alleine auf der grauen und kalten Ostsee unterwegs. Die Küstenwache und ein Seenotrettungskreuzer folgten ihm neugierig jeweils ein paar Minuten gaben dann Gas. Ansonsten war er mit sich, seinem Segelschiff und der Ostsee allein.
Als Pit am Nachmittag in Strande anlegte, war beinahe alles noch so, wie er es verlassen hatte. Wenige Boote dümpelten im Hafen. Alles war dunkel und duster, obwohl der Hafen schon offiziell offen war.
Nach dem ersten Manöverbier der Saison probierte Pit, ob der alte Code vom Vorjahr noch für die Duschen und Klos funktionierte. Als die Tür aufsprang kam alles wie in einem Sturzbach zurück: genau vor einem Jahr, nach einer stürmischen Überfahrt, hatte sein neues Leben begonnen. Heute auf den Tag genau.
“Auf in die zweite Saison an Bord”, sagte er laut zu sich selbst und betrat das Duschhäuschen.
Abonnenten meines Letters erfahren auf Wunsch natürlich die Kombination zur Seglerdusche 😉