Moin, und willkommen zu der zweiten Staffel meines Logbuchs eines Liveaboards. Dieses Logbbuch ist autofiktional, was bedeutet, dass die Handlung und die Personen in diesem Logbuch erfunden sind, sich aber an dem orientieren, was der Autor (also ich ;) selbst erlebt hat.
Wir starten nach einem langen Winter und einem kurzen aber heißen Frühling. In dem kleinen Hafen an der Ostsee, von dem geneigte Leser:innen bereits ahnten: es handelt sich um Strande.
Irgendwann Ende Juli
Gut ein Monat seit Midsommer und immer noch wird es nicht sommerlich im Sommermonat Nummer eins. Ein böiger Wind weht aus Südwest eine Husche nach der anderen über die Kieler Förde. Meist ist es in einem Moment sonnig, nur damit im anderen schwarze Wolken und dicke fette Regentropfen über uns herfallen. Selten habe ich mir dringender eine Kuchenbude für mein Cockpit gewünscht. Aber die kann ich mir gerade nicht leisten - im Portemonnaie herrscht Ebbe.
Wassertemperatur ca. 17 Grad. Auch nicht besonders hochsommerlich.
Ich bin früh aufgewacht, irgendwas oder irgendjemand hat oder ist immer wieder an die Aussenhaut gestossen. Träge und widerwillig schäle ich mich aus der Koje.
Als ich im Cockpit stehe, sehe ich zwei Schwäne, die ihre eigenen Spiegelbilder an der frisch polierten Aussenhaut attackieren; tak, tak. Ich überlege kurz, laut zu werden und mit fuchtelnden Armen sie zu verscheuchen, besinne mich dann aber; Schwäne sollte man nicht wütend machen.
Ich zucke also ersteinmal ausgiebig mit den Schultern und gehe gemächlich zur Morgentoilette. Dort ist noch keiner; zu früh für den Hafenmeister und Mitsegler sind hier im Juli auch selten. Entweder sind sie bereits in Dänemark oder haben kurzfristig wegen des Wetters nach Mallorca umgebucht.
Die Sonne ist noch nicht richtig aufgegangen. Ich staune immer wieder, wie lange der Tag braucht, um vom ersten Morgengrauen zum vollen Tag zu reifen.
Ich bin bummswach und habe es nicht eilig. Ich gehe ein paar Meter die Strandpromenade entlang in Richtung Leuchtturm und schaue in die aufwachende Gegend.
Zwei Möwen stürzen sich gerade auf ein weggeworfenes halbes Fischbrötchen, als die Sonne über der Ostsee aufgeht.
Ich schaue dem Tag beim Anbrechen zu. Das dauert immer quälend lange, bevor aus dem ersten Glühen am Horizont der erste Strahl wird, der über die Linie blitzt, die den Tag von der Nacht trennt.
Die beiden Möwen haben Gesellschaft bekommen. Nun jagen sechs andere der einen hinterher, die das Fischbrötchen im Schnabel trägt. Zum Herunterschlingen hat sie keine Ruhe, dicht hinter ihr machen ihre Verfolgerinnen jedes waghalsige Manöver mit. Tom Cruise hätte seine wahre Freude.
“Maverick” verliert kurz die Spannung und lässt nach einer abrupten Rolle kurz über dem Wasser seine Beute fallen. Die Möwe, die als erste den größten Teil des inzwischen zerbröselten Brötchens erwischt hat, findet kaum Zeit wieder zu starten und zu fliehen bevor der inzwischen auf 12 angewachsene Schwarm nun sie verfolgt, na ja eigentlich immer noch das Brötchen. Ein erbarmungsloser Tanz aus Neid, Missgunst und Fluggeschick, der keiner den Sieg gönnt.
Rotgold schimmert die neue Sonne des neuen Tages gegen einen losen Teppich aus kleinen Wolken, die gegen den leichten Wind gen Ufer ziehen.
B. müsste inzwischen wach sein. Zeit für das erste gemeinsame Frühstück an Bord; nachher wird es sicher noch regnen. Denn “Morgenrot ist des guten Wetters Tod”, wie meine Oma immer sagte, nur auf Plattdeutsch natürlich. Das kann ich aber nicht mehr.
Ist irgendwie zerbröselt; wie das Fischbrötchen eben über der Ostsee.
Ich blinzel in die Sonne und freue mich darauf, meine alte Schwedin wieder in ihr wahres Element zu führen: die Wasser der Ostsee.
Die erste Reise soll in die dänische Südsee gehen. Dort bin ich lose mit Ivan verabredet. Wir haben uns das ganze Jahr noch nicht gesehen; ich freue mich sehr auf ihn - und seine Geschichten, das lange, gut abgehangene Seemannsgarn aus 12 Monaten Einhandsegelei ;)